Chancen einer jungen Kreativ-Generation
Wir sind jung, motiviert und voller Ideen. Diese Leidenschaft kann schnell in Leid übergehen und schlussendlich in Frust enden. Wir begeben uns auf den Spuren der Vergangenheit auf die Suche nach der Zukunft der Creative Industry.
Wie in der Headline bereits von Gil Scott-Heron zitiert, geschieht eine Veränderung oder gar Revolution in einem etablierten Konstrukt nicht von einem Moment auf den anderen. Und schon gar nicht mit einem großen Knall im Fernsehen oder im Netz. Vielmehr beginnt Veränderung im Kopf eines jeden einzelnen Menschen.
Ich kenne viele Kreative und die meisten von ihnen waren irgendwann zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrer Tätigkeit frustriert. Unsere Generationen – Y, Z und darüber hinaus – unterscheiden sich durch die aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung grundlegend von denen unserer Eltern. Arbeiten zu gehen, um ein Soll zu erfüllen, die Familie zu ernähren und etwas Wichtiges zur Gesellschaft beizutragen, liegt schon lange nicht mehr in unserem Fokus. Was früher als „American Dream“ bekannt war, spielt sich heute auf unseren Smartphones ab. Ja, ich spreche hier von Smartphones als Zentrum der eigenen Persönlichkeit. Denn auch Social-Media-Verweigerer kommen durch Medien und Trends nicht um die Bubble herum, die ein makelloses digitales Leben vorgibt. Doch wie real sind diese Ziele? Ist es möglich mit seinen Leidenschaften Geld zu verdienen und daneben ein erfülltes Privatleben zu führen?
Ich möchte mich hier auf Leidenschaft im Beruf beschränken, da sich der Werdegang bei Kreativen fast ausschließlich aus einer persönlichen Leidenschaft entwickelt. Die professionelle Umsetzung lernt man dann eben erst in einschlägigen Aus- und Weiterbildungen bzw. am Arbeitsplatz selbst.
Andererseits darf man nicht vergessen, dass die Creative Industry Dienstleistungen bereitstellt, die zur Entwicklung unserer Wirtschaft beitragen, die eine Win-Win-Situation darstellen. Das heißt, der Faktor Geld kann nicht einfach gestrichen werden. Um dem totalen Kapitalismus dennoch zu entgehen, springen immer mehr Kreative sowie deren Kunden auf den Zug der sogenannten „Weltverbesserer“ auf. An diesem Punkt befinden wir uns auf einer Gratwanderung zwischen gut gemeint, kapitalistischem Mainstream und Greenwashing-Vorwürfen. Um diese Gratwanderung zu bestehen, sollte man eines zum Ziel haben: die pure Wahrheit.
Wahrheit bezieht sich hier nicht nur auf Markenkommunikation und Werbung, sondern auch auf die internen Strukturen der Kreativbranche. Einige Agenturen haben eine Vier-Tage-Woche eingeführt, andere versuchen eine Lösung mit gleichem Gehalt für alle und flexiblen Arbeitszeiten zu finden.
Voraussetzung sollte dabei immer sein, das gemeinsame Ziel stets vor Augen zu haben. Denn ruht sich eine:r auf der Arbeit des oder der anderen aus, kann die Sache schnell in Schmarotzertum kippen.
Okay, kommen wir zurück zum eigentlichen Thema: Was also können wir junge Kreative verändern? Mehr Mut zu ehrlicher Kommunikation. Nicht nur in unserer Arbeit, sondern auch im Umgang miteinander. Sagt, was ihr braucht, stellt Forderungen, lotet eure Grenzen aus und zeigt dadurch Kunden sowie Vorgesetzten, dass wir um Veränderung nicht herumkommen. Das hat absolut nichts mit Faulheit oder unerreichbaren Träumen zu tun. Sondern mit Effizienz, Transparenz und Vorbildsein.
Ich bin zwar kein alter Hase in der Branche, sage aber dennoch bereits was ich will und was ich nicht. Und gebe diese Ansichten auch weiter. Zum Beispiel, wenn mir die neue Praktikantin um 23 Uhr an einem Freitag ein neues Layout zur Korrektur sendet. Nachts Arbeiten muss nicht. Oder, wenn das Team eine richtig gute Idee für einen Kunden hat, die aber so viel Mut braucht, sodass das Team lieber zurückrudert. Einstehen für eine Idee an die man glaubt wird sich immer bezahlt machen. Denn gute Ideen sind meistens die mutigsten.
Nehmt eure Träume ernst. Dann nimmt sie auch euer Gegenüber ernst. Kommuniziert offen und ehrlich über eure Projekte und Vorstellungen. Bleibt standhaft und bleibt selbstbewusst.
– November 2021, Julia Hofmann